Freitag, 18.Dezember 09
Ich wusste ja, dass in Kambodscha unter dem Pol Pot Regime unvorstellbare Grausamkeiten begangen wurden, aber dass man hier auch heute noch auf das Übelste die Menschen foltert, das war mir neu. So etwas sticht besonders erbarmungslos ins Bewusstsein, wenn man selber das Opfer ist. Die Methoden der heutigen Folter sind bedeutend subtiler, und ich will auf keinen Fall das Geschehen der 70er verharmlosen. Aber vor meinem ohnehin jämmerlichen Zimmer im Nokor Reach Guesthouse in Koh Kong hat man eine Bühne aufgebaut, auf der eine Promotion-Verunstaltung (!) des Telefonanbieters ‘Hello‘ stattfindet. Zwischen dem permanenten Geschrei der Moderatoren geben die Leute zum Playback ihre Karaoke_Stimmbandverrenkungen zum Besten. Es ist unvorstellbar! Meine verwöhnten Ohren sind schon völlig verschrumpelt, und sehen aus, als würden sie zum Selbstschutz die Ohrläppchen noch als Verschlussklappe mit reinsaugen wollen. Mein Glatzensonnenschutz-Kopftuch habe ich noch über die Ohren gebunden, die eigenen Kopfhörer darüber, und sehe aus wie eine türkische Gemüsefrau mit Ohrwärmern auf einem Wintermarkt. Nee – das Bild dazu kommt jetzt nicht mit in den Blog ! Auch die besten Ohrstöpsel helfen nicht – ich bin hoffnungslos ausgeliefert. Auch technisch hat man sich ins Zeug gelegt, und bietet eine Klangqualität, die in der Vorbereitung sicher unendliche Tüftelarbeit erfordert hat: nämlich es hinzubekommen, aus riesigen Boxen und einer Lautstärke, die dem Konzertaufbau eines Pink Floyd Konzertes alle Ehre machen würden, einen Sound hervorzuzaubern, der in der Qualität den meiner serienmäßigen Toyotalautsprecher noch weit untertrifft. Mal hören wie das hier weiter geht, es ist gleich 22 Uhr – mein Bus geht um 7:20 Uhr nach Phnom Penh. Sollten die durchmachen, kann ich wenigstens nicht verschlafen. Es gibt auch keinen mir bekannten Wecker, den ich durch das Getöse hören könnte, Presslufthammer mit Zeitschaltuhr, das könnte klappen.
Ich hör nichts mehr – bin ich schon taub, oder haben die da draußen aufgehört? Ich sehe, dass die Bühne abgedunkelt ist und schöpfe Hoffnung, aber einige Flimmerhärchen dürften sich nach dieser Stippvisite in Kho Kong für immer aus dem Hörsystem verabschiedet haben.
Bezahlen kann man hier übrigens in Baht, US-Dollar, und Riel. Je nach Laden ist alles unterschiedlich ausgezeichnet, für die Bezahlung der Visagebühr von Kambodscha wurden an der Grenze ausschließlich Thai-Baht akzeptiert. Das ist ja gerade so, als ob ich meine Steuern demnächst in Schweizer Franken oder in Britischen Pfund bezahlen müsste. Sollte es so weit kommen, müsste man sich wirklich Sorgen um den Euro machen.
Samstag, 19.Dezember 09
Insekten im Bett
Es ist kurz nach drei in der Nacht, aber an Schlaf ist auch ohne den Lärm vor dem Fenster kaum zu denken. Das Bett ist voller stechender Krabbeltiere. Keine Wanzen, sondern kleine schwarze Käfer. Habe einem beim Wegwischen den Tank ausgedrückt, und da war frisches, rotes Blut drin. So schön ist kein Käferblut – das war meins! Jetzt, wo ich weiß, dass die mich anzapfen wollen, stört mich das Gerenne unter und auf mir natürlich noch mehr. Ein Schlückchen Lebenssaft für die Tierchen in allen Ehren – OK, aber das hier habe ich nicht mehr unter Kontrolle, und es sind noch vier Stunden, bis ich dieses wirklich bemerkenswert üble Zimmer, zu dem es auch keinen Schlüssel gibt, und dessen Türschloss man mit einem Stück Plastik öffnet, verlassen kann. Hier kann man nur Horrorromane schreiben, und das hatte ich eigentlich nicht vor. Die Liste der Mängel wäre so weit fortsetzbar, dass sie den Blog sprengen würde.
Busfahrt nach Phnom Penh
Der Hosenbund kneift. Das tut er hier häufig wenn man das Hemd nicht hineinsteckt, sondern, wie allgemein üblich, darüber trägt. Innerhalb meines Körpers ist auch ein ärgerliches Missverständnis entstanden. Ich hatte an ‘Waschbrett‘ gedacht, aber angekommen ist in der vorderen Mitte meines Rumpfes ‘Waschtrommel‘, und jetzt kneift die Hose. Vielleicht ist auch meine Frau schuld, denn die hat gesagt, ich soll immer viel trinken. Aus alter Gewohnheit wasche ich mich mit Wasser und trinke Bier. Würde ich das mal eine Weile anders herum probieren, könnte das die Brennwertbilanz auf meinen Hüften auch positiv beeinflussen.
Bin gerade in der Hauptstadt angekommen, Auf das Zimmer kann ich noch nicht, aber auch außerhalb sieht schon alles sehr nett aus. Dazu später mehr.